Bayern 2 Salon Wolfgang Benz: Exil
Sa, 10.05. | 14:05-15:00 | Bayern 2
Was bedeutet es, alles hinter sich zu lassen? Eine Erfahrung, die hunderttausende Menschen machten, die nach 1933 aus Deutschland fliehen mussten. Für die meisten war das Exil ein tiefer Sturz, so Wolfgang Benz im Gespräch. Lesung mit Thomas Lettow.
"Die Geschichte des Exils aus dem "Dritten Reich" ist ein Lehrstück, geschrieben in einer Zeit, in der Menschen in großer Zahl politisches Asyl begehren, in der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge Schutz und Hilfe in dem Land suchen, aus dem einst Bürger wegen ihrer Gesinnung oder ihrer Herkunft verfolgt und ermordet wurden." (aus: "Exil" von Wolfgang Benz)
Grete Weil aus München war eine von Hunderttausenden. Geboren 1906 in Rottach-Egern am Tegernsee und aufgewachsen in einer jüdischen Familie musste sie 1935 aus Deutschland fliehen. Sie folgte ihrem Mann Edgar - vormals Dramaturg an den Münchner Kammerspielen - nach Amsterdam und arbeitete dort als Fotografin. Als die Deutschen 1940 die Niederlande besetzen, saß das Paar in der Falle. Edgar Weil wurde verhaftet und später ermordet. Seine Frau engagierte sich im Widerstand gegen die Besatzer und schrieb einen (zu Lebzeiten unveröffentlichten) Roman über das Exil. Nach dem Krieg kehrte sie nach München zurück. Über die Erfahrung der Vertreibung schrieb sie: Emigration sei ein Fallen ins Bodenlose.
Wolfgang Benz - einer der bedeutenden Historiker der Gegenwart - beschäftigt sich seit Jahren mit der Geschichte des Exils, mit den vielen Lebensgeschichten der Menschen, die in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Deutschland und - seit 1938 - auch aus Österreich vertrieben worden sind. Mehr noch: Es ist ein Lebensthema für den langjährigen Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Das zeigt sein neues Buch "Exil. Geschichte einer Vertreibung". Wolfgang Benz beschreibt darin das Exil in vielen Perspektiven. Und er nimmt gerade die Geschichten der unbekannten Exilanten in den Blick - der Mehrheit. "Ihre Leben wollte ich zeigen", sagt der Historiker im Gespräch. Und zugleich wollte er ein Klischee brechen: den Glauben der Deutschen, den Exilanten sei es viel besser gegangen als ihnen selbst. "Das war ein Märchen", so Wolfang Benz.
Wolfgang Benz' Buch über das Exil - bei C.H. Beck erschienen - ist eine Bilanz jahrzehntelanger Auseinandersetzung mit der Vertreibung aus Deutschland und ihren Folgen, mit Geschichten wie denen von Grete Weil. Im Bayern 2-Podcast "Buchgefühl. Gespräch und Lesung" erzählt der Historiker von seinen Forschungen. Thomas Lettow, Ensemble-Mitglied am Münchner Residenztheater und dort unter anderem in der "Agamemnon"-Inszenierung zu erleben, liest aus der "Geschichte einer Vertreibung" von Wolfgang Benz. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages C.H. Beck präsentieren wir die Lesung im Podcast "Buchgefühl", zu finden in der ARD Audiothek. Redaktion und Moderation: Niels Beintker
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