Diagonal Stellt Vor Diagonal Stellt Vor – Das Magazin zum Monatsanfang

Sa, 05.07.  |  17:05-19:00  |  Ö1
+++Reizwort Gaza+++Mitterers Walzerwut+++Popmusik-Glanz und Elend +++ Misogynie und Ageism im Pop+++ Anschließend Diagonals Feiner Musiksalon: Little Simz – „Lotus“

Gaza und der Riss im Kulturbetrieb: Wenig Wissen, viel MeinungDas Hamas Massaker am 7. Oktober 2023 und die humanitäre Katastrophe in Gaza haben den linken progressiven Kunst- und Kulturbetrieb gespalten. „Gaza“ ist zum Reizwort geworden, zur „Chiffre der Opfersolidarität“, besonders dort, wo sich Wokeness und Theorien des Postkolonialismus treffen. Propalästinensische Proteste und Boykottaufrufe begleiten mittlerweile akademische Lehrveranstaltungen, Buch- und Theatervorstellungen, Kunstausstellungen oder Events wie den Eurovisionssongcontest. Der öffentliche Diskurs ist aufgeheizt. Das Leid der Opfer wird holzschnittartig gegeneinander aufgerechnet. Hat die Freiheit der Kunst also doch Grenzen? Wie kann man sich empathisch und fair in und zu diesem Konflikt verhalten? Nicole Dietrich hat bei Jens Balzer („After Woke“), Jean Améry („Der neue Antisemitismus“), der Dichterin Deborah Benjamin Kaufmann und dem Moralphilosoph Philipp Hübl nachgelesen bzw. nachgefragt.Völlig schwerelos – Glanz und Elend der deutschsprachigen PopmusikDem in Graz geborenen Wirtschafts- und Kulturjournalisten Wolfgang Zechner liegen zwar auch Elvis, die Beatles und die Beach Boys am Herzen, aber eben nicht nur. In seinem neu erschienenen Buch „Völlig schwerelos“ durchmisst er anhand von 99 Songs die Tiefen und Untiefen der Pop-Historie mit deutschem Zungenschlag, deren Protagonisten sich mit der Aneignung englischsprachiger Vorlagen und Vorbilder oft nicht leicht taten – bis sie eine eigene Note und Sprache entwickelten. Von Freddy Quinn bis Tocotronic, von Deutsch Amerikanische Freundschaft bis zu den Bambis, von Connie Francis bis Nina Hagen, von Karel Gott bis Kraftwerk – hier wird launig die Tonspur eines halben Jahrhunderts, der Soundtrack des „eigenen“ Kulturkreises analysiert, dekonstruiert und kommentiert. Um es mit der Gruppe Fehlfarben zu sagen: Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran. Gestaltung: Walter Gröbchen.Candy Girls – Über Sexismus in der Musikindustrie Süß und anziehend sollen die jungen Frauen sein, Candy Girls eben. Im Pop werden sie angehimmelt oder verdammt, ob in Songtexten oder auf den Konzertbühnen, Hauptsache sie altern nicht und polieren männliche Projektionsflächen und Egos auf. Misogynie und Ageism dominieren die Pop-Branche, auch wenn der multiperspektivische Genderdiskurs längst oder immer schon auf musikalischem Konfrontationskurs steht. Weibliche Fans gelten vorschnell als Groupies und weniger als kritische Expert:innen. Auch wenn die größten Popstars unser Zeit Beyoncé und Taylor Swift heißen, halten sich Sexismus und das Musikpatriarchat hartnäckig und verkauft sich gut. Sonja Eismann, Berliner Kulturwissenschaftlerin, Mitgründerin des feministischen Popzeitschrift „Missy Magazine“ und Musikjournalistin hinterfragt und analysiert diese Mechanismen mit Musikbeispielen im Gespräch mit Petra Erdmann. „Femenine“ Moves und WalzerwutMaking of Strauss und Eastman. Die Wiener Choreographin Eva-Maria Schaller vertanzt beide – den Walzerkönig und Julius Eastman, den Bad Boy der Minimal Music. Eastman, Underdog der New Yorker Avantgarde-Szene der 1970er Jahre schockierte mit Titeln wie „Evil Nigger“ oder „Gay Guerrilla“. In „Femenine“, seinem bekanntesten Stück, tauchen fünf Tänzerinnen tief in das vom Studio Dan interpretierte dynamische Gewebe von Eastmans „organischer Musik“. Wenn ein Maximum an kinetischer Energie erreicht ist, erheben die Tänzerinnen ihre Stimme. Spektakulärer Ort der Aufführung im Rahmen des Carinthischen Sommers ist das Steinhaus von Günter Domenig am Ossiacher See. Befreiender Rausch steht auch im Zentrum von Schallers „Walzerwut“ zu zehn Straußkompositionen in Bearbeitung durch den Komponisten Wolfgang Mitterer. Der ins Absurde gesteigerte Furor aus Walzer, Polka und Mazurka kratzt an der Oberfläche einer bürgerlichen Gesellschaft, deren Motto bis heute lautet: „Glücklich ist, wer vergisst …“ „Walzerwut“ enthält auch eine Überraschung jenseits von Galopp und Walzertraum: Als die die gute alte Zeit vor 1900 schon unübersehbar der Apokalypse entgegenstolperte, versuchte die Kriegsgegnerin und Friedensaktivistin Bertha von Suttner den Walzerkönig für einen „Friedenswalzer“ zu gewinnen. Gestaltung: Erich Klein

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