Punkt eins Dänemark: Europäischer Vorreiter und Sonderfall
Di, 01.07. | 13:00-13:55 | Ö1
Heute, am 1. Juli, übernimmt Dänemark zum achten Mal die EU-Ratspräsidentschaft. Sonderweg, Solo-Kurs, Anderssein als Selbstverständnis, europaskeptisch – so wird Dänemarks Verhältnis zu Europäischen Union beschrieben. Die Basis für Dänemarks Sonderweg wurde im Jahr 1992 gelegt. Knapp mehr als die Hälfte der dänischen Bevölkerung lehnte damals den Vertrag von Maastricht ab, der die Grundlage für die heutige europäische Gemeinschaft bildet. Erst als die Regierung vier Ausnahmeregelungen ausverhandelte, die ihr das Recht gaben in bestimmten Bereichen nicht mit der EU zu kooperieren, stimmte die Bevölkerung in einem weiteren Referendum zu. Es war ein „Ja“ zur EU mit Vorbehalten: So ist Dänemark nicht Teil der Währungsunion. Anstatt mit Euro, wird weiterhin mit Kronen bezahlt. Ebenso lehnen die Däninnen und Dänen eine Unionsbürgerschaft ab. Vorbehalte bei der Zusammenarbeit im Bereich Justiz- und Innenpolitik ermöglichen es, einen eigenen Weg in der Asylpolitik zu gehen. Das „dänische Modell“ gilt als restriktivstes Einwanderungs- und Asylgesetz innerhalb der EU und setzt auf ein befristetes Aufenthaltsrecht sowie verstärkte Rückführungen. Auch die Idee, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern, geht auf Dänemarks Vorschlag zurück. Bis 2022 beteiligte sich Dänemark auch nicht an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Russlands Angriff auf die Ukraine änderte die Haltung in der Bevölkerung. Fast 67 Prozent stimmten für die Aufhebung des Verteidigungsvorbehalts.Am 1. Juli übernimmt Dänemark den Vorsitz im Rat der EU, der alle sechs Monate zwischen den Mitgliedsländern rotiert; im ersten Halbjahr 2025 war Polen an der Reihe. Die Ministerinnen und Minister des jeweiligen Landes leiten die Ratstagungen, in denen zwar keine Gesetzesvorschläge gemacht werden können. Allerdings kann die Ratspräsidentschaft Schwerpunkte vorgeben. Dänemark will den Fokus auf Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Klimapolitik legen. In Sachen Klima gilt Dänemark international als Vorzeigeland. Vom größten Öl- und Gasproduzenten der EU möchte es bis 2045 den Weg zur Klimaneutralität gehen und bis 2030 seinen CO²-Ausstoß um 70 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren. Es investierte in Windparks und Fernwärme und plant Steuern auf Emissionen in der Landwirtschaft. Im Rahmen der Ratspräsidentschaft möchte Dänemark die Themen Energiesicherheit und Elektrifizierung auch auf EU-Ebene wieder in den Fokus rücken.Wie nachhaltig wird Dänemarks Schwerpunktsetzung sein – in einer Periode, in der auch das Budget von 2028 bis 2034 verhandelt wird? Wie lässt sich Dänemarks Sonderrolle in der EU erklären? Kann Dänemark Vorbild für andere EU-Länder sein?Der Politikwissenschaftler Tobias Etzold befasst sich seit vielen Jahren mit der europäischen Integration Nordeuropas und auch mit dem Sonderweg Dänemarks. Zuletzt war er am Norwegischen Institut für Außenpolitik (Norwegian Institute of International Affairs) tätig. Als Gast bei Marina Wetzlmaier gibt er Einblicke in das dänische Selbstverständnis.Hörerinnen und Hörer sind wie immer herzlich eingeladen mitzudiskutieren. Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 (kostenfrei innerhalb von Österreich) oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(a)orf.at
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