Punkt eins Südafrika vor der Wahl

Fr, 26.04.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Steht 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid ein Richtungswechsel bevor? Gäste: Univ.-Prof. Dr. Walter Sauer, Wirtschafts- und Sozialhistoriker Universität Wien, Gründer und Leiter von SADOCC & Dr. Nicole Paganini, Geografin, TMG, Think Tank for Sustainability, Leiterin des Forschungsprojektes „Urban Food Future“. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Am 26. April 1994 begannen die ersten freien Wahlen in der Republik Südafrika, die drei Tage andauerten und das Ende des Apartheid-Regimes demokratisch besiegelten. Bei einer Wahlbeteiligung von fast 90% wählten 62% den ANC, den Afrikanischen Nationalkongress – die Partei des Freiheitshelden und Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela, der 27 Jahre aufgrund seines Widerstandes gegen das Regime hinter Gittern saß und erst 1990 enthaftet wurde. Bei der kommenden Wahl – Präsident Cyril Ramaphosa hat den 29. Mai verlautbart – ist es das erste Mal in der demokratischen Geschichte des Landes, dass der ANC – jüngsten Umfragen nach – die absolute Mehrheit verlieren könnte. Schon bei der letzten Wahl 2019 war die Frustration und die Politikverdrossenheit im Land hoch, nur 49% der Bevölkerung gingen wählen, in der Gruppe der jungen Erstwählenden waren es überhaupt nur 10%. Der ANC erreichte dennoch 57,5%; die stärkste Oppositionspartei, die Demokratische Allianz 21%.Eine düstere Themenlandschaft begleitet den aktuellen Wahlkampf: Polizeiübergriffe, drückende Armut der Hälfte der Bevölkerung, Nahrungsmittelunsicherheit, Kriminalität, Korruption, Streiks, häusliche Gewalt, rückläufiges Wirtschaftswachstum, Wassermangel, Bildungskrise, auch ständige Probleme mit der Energieversorgung. Obwohl es viele zivilgesellschaftliche Initiativen gibt, auch gesellschaftliche Freiheiten wie kaum in einem anderen afrikanischen Land, sind 70% der Bevölkerung mit der Funktionsweise der Demokratie unzufrieden – viele sehnen sich nach einer starken autoritären Führung, die Ordnung schafft und die Lebenssituation verbessert. So etwa spielt sich der strafrechtlich mehrfach verurteilte 81-jährige Expräsident Jacob Zuma zum „starken Mann“ auf und will mit einer eigenen, neu gegründeten Partei – „Speer der Nation“ – antreten. Schon Mitte August 2023 haben sich 11 andere Oppositionsparteien in einer „Mehrparteiencharta“ zusammengeschlossen, um die jahrzehntlange Macht des ANC zu brechen.Was ist aus den Hoffnungen, die mit dem Ende der Apartheid verbunden waren, geworden? Welche grundlegenden Errungenschaften konnten trotz der schwierigen Situation in den letzten 30 Jahren erzielt werden? Welche Bedeutung hat Nelson Mandela heute für die jungen Südafrikanerinnen und Südafrikaner? Wie geht die südafrikanische Zivilgesellschaft mit Armut, Energie- und Ernährungsunsicherheit um? In welcher Weise hängen Gewalt und das „Erbe der Apartheid“ zusammen? Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Walter Sauer war ein zentraler Protagonist der österreichischen Anti-Apartheid-Bewegung und verfolgt die Entwicklungen auch im Rahmen des von ihm gegründeten Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika – SADOCC. Die Geografin Nicole Paganini ist Programmleiterin des Forschungsprojektes „Urban Food Future“ und begleitet in den Townships von Kapstadt ein Netzwerk für Ernährungsgerechtigkeit. Nicole Paganini und Walter Sauer sind Gäste bei Andreas Obrecht. Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über rege Teilnahme der Hörerinnen und Hörer an der Sendung, unter punkteins(at)orf.at oder unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung.

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