Gedanken für den Tag Kant und die Würde des Menschen

Fr, 26.04.  |  6:57-7:00  |  Ö1
Heinrich Schmidinger, emeritierter Philosoph und Theologe an der Universität Salzburg, zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant.

Zu Lebzeiten von Immanuel Kant wurden erstmals in der Geschichte die allgemeinen Menschenrechte verkündet und zur Basis einer staatlichen Verfassung erhoben – 1776 im Bundesstaat Virginia in Nordamerika und 1792 durch die Nationalversammlung in Paris. Kant gibt dieser menschheitsgeschichtlichen Zäsur eine philosophische Begründung. Was den Menschen „vor aller Natur“ auszeichnet, ist seine absolute Würde, die aus seiner Fähigkeit resultiert, sich selbst bestimmen zu können, frei und autonom zu sein. Achtung findet diese Würde nicht allein dadurch, dass kein Mensch durch einen anderen zu einem Zweck missbraucht oder anders als nach der Goldenen Regel behandelt wird, sondern ebenso in der Anerkennung von Rechten, die mit dem Menschsein als solchem gegeben sind – eben den Menschenrechten. Da nun die Anerkennung dieser Rechte für jeden Menschen dieser Welt gilt, betrachtet Kant alle Menschen als „Weltbürger“, von denen jeder/jede ein „Recht auf Rechte“ innehat (wie es Hannah Arendt nach dem 2. Weltkrieg formulieren sollte). Wohl gemerkt: Diese Rechte stehen dem Menschen nicht als Staatsbürger, sondern als Weltbürger zu – unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu einem Staat. Das führt Kant zur Annahme eines „allgemeinen Menschenstaates“, bzw. eines „Weltstaates“, wobei ihm sogleich klar war, dass ein solcher Staat nur als ein „Völkerbund“ Realität werden könnte, nicht als Staat im klassischen Sinne. Er wusste natürlich auch, dass er sich damit an eine Utopie heranmachte. Dennoch schien ihm diese Annahme zwingend. Er konnte noch nicht ahnen, dass es zweieinhalb Jahrhunderte nach ihm eine globalisierte Welt geben würde, die nur noch Aussicht auf Bestand hat, wenn sie diese Utopie verwirklicht.

in Outlook/iCal importieren