Punkt eins Ein Baum ist kein Bauwerk

Mi, 24.04.  |  13:00-13:55  |  Ö1
Wann ist ein Baum sicher? Die Neuregelung der Baumhaftung mit 1. Mai.Gäste: Ing. Dr. Karin Büchl-Krammerstätter, Umweltjuristin, Obfrau des Forum Baumkonvention & DI Mag. Peter Herbst, Jurist, gerichtlich zertifizierter Forst-Sachverständiger, Universitätslektor, Obfrau-Stellvertreter im Forum Baumkonvention. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Stromausfälle, Straßensperren, Unfälle – der Wintereinbruch lässt Äste abbrechen und Bäume umstürzen, zu schwer lastet der Schnee auf den belaubten Zweigen. Ein fahrender LKW wurde von einem Baum getroffen, der Fahrer verletzt. Als am 1. April ein orkanartiger Sturm über weite Teile des Landes fegte, stürzten ebenfalls zahlreiche Bäume um; in der Steiermark wurde ein Ehepaar während der Autofahrt von einem Baum erschlagen. Auch das große Sturmtief wenige Tage vor Weihnachten 2023 forderte ein Todesopfer: ein Baum war auf einen Hochstand gestürzt, ein Jäger wurde tödlich verletzt. Die Meldung „Baum umgestürzt“ füllt die Chroniken der Freiwilligen Feuerwehren im ganzen Land. Wer haftet, wenn ein Ast abbricht, ein Baum umstürzt und es Personen- oder Sachschäden gibt? Wann ist ein Baum sicher und wie lange ist er das? Was sind die rechtlichen Regelungen, wenn sich der Begriff „Baumhaftung“ im Gesetz nicht findet? Ein Baum ist kein Bauwerk – diese Feststellung scheint banal. Doch in Österreich gibt es keine gesetzliche Definition des Begriffs „Baum“. „Schon seit Jahrzehnten setzt der Oberste Gerichtshof (OGH) Bäume in ständiger Rechtsprechung mit Bauwerken gleich, wodurch es im Haftungsfall zur Beweislastumkehr kommt“, schreibt die Umweltjuristin Dr. Karin Büchl-Krammerstätter in einem ihrer Artikel. Das bedeutet: Baumbesitzer:innen müssen in Schadensfällen nachweisen, dass sie daran keine Schuld trifft. Ein Risiko, das viele Gemeinden und Privatpersonen nicht eingehen möchten und „vorsorglich“ und in großem Umfang Bäume massiv schneiden, radikal kürzen, alte Riesen fällen und Bestände großflächig roden – „Angstschnitte“. Ein untragbarer Zustand mit Blick auf die Klimaveränderungen und die existenziellen Leistungen der Bäume, sagt die Umweltjuristin, und eine Gesetzeslage, die für alle belastend und unbefriedigend war. Mit 1. Mai treten im ABGB neue Haftungsregeln für Bäume in Kraft (Paragraph 1319b), die nach über acht Jahren intensiver Bemühungen und Diskussionen über die hochkomplexe Materie „Baumhaftung und Baumsicherung“ ein unnötiges Zurückschneiden und Fällen von Bäumen verhindern und übertriebene Haftungsängste nehmen sollen. Auch die Bedeutung der Bäume für die natürliche Umgebung sowie die Eigenverantwortung der Menschen wurden in den Gesetzesentwurf aufgenommen. „Die Grenzen der Selbstverantwortung haben sich verschoben“, meint Karin Büchl-Krammerstätter und spricht damit gesellschaftliche Tendenzen an, die gern unter dem Schlagwort: „Vollkasko-Mentalität“ zusammengefasst werden. Nach dem Motto: Wo ein Schaden, da ein Schuldiger, da eine Haftung. Die neue Baumhaftung gilt explizit nur für Bäume außerhalb des Waldes, denn in den Wäldern gelten andere Regeln: Waldeigentümer:innen sind von Haftungen weitgehend befreit; eine Sonderregelung von 1975 im Ausgleich für die Öffnung der Wälder. Doch auch im Wald werden Haftungsfragen drängender: Nutzungskonflikte nehmen zu, es werden Mountainbike-Strecken gebaut, Fitness-Parcours, Rastplätze und Waldkindergärten. Der neue Paragraph zum schonenden Umgang mit Bäumen wurzelt in der Plattform „Österreichische Baumkonvention“. Karin Büchl-Krammerstätter war langjährige Leiterin der Umweltschutzabteilung der Stadt Wien und hat 2015 diese Initiative mitgegründet. Vor einem Jahr wurde die Plattform zum Verein „Forum Baumkonvention“ weiterentwickelt – einer Anlaufstelle für alle Fragen rund um Schutz und Erhaltung von Bäumen und Wäldern. Am 24. April veranstaltet das Forum in Salzburg eine große Fachtagung zum Thema Baumsicherheit und Baumschonung. Aus diesem Anlass sind Karin Büchl-Krammerstätter, Obfrau des Forums Baumkonvention, und der Kärntner Forstsachverständige und Jurist Mag. Peter Herbst, ihr Stellvertreter, Gäste bei Barbara Zeithammer in Punkt eins. Sie erläutern die ab 1. Mai geltende Gesetzeslage, blicken zurück auf ihre Entstehung und die Herausforderungen ihrer beider Arbeit und beschreiben Möglichkeiten und Methoden, Bäume sicher und schonend zu erhalten – und ihre Motivation, sich dafür einzusetzen. Welche Gefahren muss auch der Laie kennen? Wie kann erfolgreiches Baummanagement in einer Gemeinde gelingen? Unter welchen Voraussetzungen haftet ein Baumhalter oder eine Gemeinde? Wann ist ein Baum sicher, wie läuft die Baumprüfung ab und kann eine Gesetzesänderung gegen die „Vollkasko Mentalität“ helfen? Rufen Sie an und reden Sie mit – als Baumfreund:in, Baumbesitzer:in oder Waldeigentümer:in. Sind Sie sich Ihrer Verpflichtungen und Haftungen, Ihrer Eigenverantwortung bewusst? Was sind Ihre Fragen? 0800 22 69 79 ist die Telefonnummer zu uns in die Sendung; unter punkteins(at)orf.at erreichen Sie uns jederzeit per E-Mail.

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