Gedanken für den Tag Kant und die Hinwendung zum Menschen

Di, 23.04.  |  6:57-7:00  |  Ö1
Heinrich Schmidinger, emeritierter Philosoph und Theologe an der Universität Salzburg, zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant.

„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ Mit diesen vier Fragen fasst Immanuel Kant bündig zusammen, worum es ihm in seinem Denken geht. Nicht zufällig laufen die Fragen auf jene nach dem Menschen hinaus. Mit dieser Hinwendung zum Menschen ist Kant nicht originell. Das geschah schon vor ihm an vielen Wendepunkten der Geistesgeschichte. Kant radikalisierte die Konzentration auf den Menschen jedoch aufs Äußerste. Zum einen entlarvte er jeden Versuch, Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass es allemal der Mensch ist, der sie macht und damit zu seinen Bedingungen ermöglicht, als sinnlos. Eine Wahrheit an und für sich, ohne jeglichen Bezug zum Menschen, kann es für uns schlicht nicht geben. Die Wirklichkeit, über die wir sprechen, ist allemal die von uns gemachte, auf uns bezogene Wirklichkeit. Zum anderen gibt es den Menschen für Kant nur als Freiheit, was für ihn bedeutet: in der Fähigkeit, sich selbst zu bestimmen, autonom zu sein. Wie das Wort „autonom“ sagt, heißt Freiheit nicht Willkür. Vielmehr resultiert die menschliche Freiheit aus einer Verpflichtung, die ihr von Haus aus innewohnt und die Kant als „Sittlichkeit“ bezeichnet. Diese wiederum gebietet zentral die Achtung vor der Würde der menschlichen Person, die mit der Freiheit einhergeht und die absolut gilt, weil sie sich weder aus einem Naturgesetz ableiten noch zu irgendeinem Zweck funktionalisieren lässt. In diesem Sinne kann der Mensch nicht gut genug über den Menschen denken. Tut er dies nach der Goldenen Regel, wonach jeder dem anderen zugesteht und antut, was er für sich selbst erwartet, so wird menschliche Gemeinschaft im Guten möglich.

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